Um Krakau wächst ein Kranz von grünen Gärten

Deutsche Kleingartensiedlung in weiterem Ausbau – Am Ödland entstand in Jahresfrist ein Laub- und Strauchwall

Krakau 22. April 1943

Der Sinn des deutschen Menschen für gärtnerische Ausgestaltung seiner Umgebung macht sich allenthalben geltend. Ob es der Kumpel in irgendeinen Kohlenpott seiner Heimat ist, der nach des Tages last im Kohlenstauberfüllen Bergwerk im Stückchen Gartenland seines Schrebergartens oder seiner Laubenkolonie Erholung findet, ob der Großstädter, der aus den Mauern der Mietkasernen seine Zuflucht in der freien Natur sucht – die Sehnsucht nach einem noch so kleinen Stückchen Grünland ist allen eigen, und selbst der Soldat, der nicht im unmittelbaren Fronteinsatz steht, weiß ein Fleckchen Erde zu schätzen, das er, wenn nicht anders möglich, wenigstens mit ein paar Sonnenblumen oder Pflanzen bebauen kann. Um so mehr es für die zivilen Deutschen im Generalgouvernement ein selbstverständliches Bedürfnis, sich Anlagen zu schaffen, die sie im Anschluß an die Arbeit des Tages nach lieb gewordener Gewohnheit gärtnerisch bestellen konnten.

Die erste deutsche Dauerkleingartensiedlung im Generalgouvernement wurde im Vorjahr mit Hilfe Von Regierung und Partei in Krakau geschaffen, und zwar wie so vieles aus dem buchstäblichen Nichts. Denn er war Brachland das recht wüst und leer aussah, als man es den Anwärtern auf einen Dauerkleingarten zur Verfügung stellen konnte, und wenn der ausgeruhte Boden auch gute Erträge verhieß, so wußte doch keiner, der sich der nicht geringen Mühe der Bebauung unterzog, ob er die Früchte selbst des ersten Jahres jemals würde ernten können. Denn mit der Versetzung zu einer anderen Dienststelle mußte mehr oder weniger jeder rechnen, und auch die bevorstehende Einberufung zur Wehrmacht hātte manch einen abhalten können, sich überhaupt erst die Arbeit der Rodung und ersten Bebauung zu machen. Trotzdem wurde gerade auf dem Gelände der Siedlung- „Alte Kasematte“ schon im ersten Jahr ihres Bestehens eine Arbeit geleistet, die als vorbildlich bezeichnet werden kann und dem überwiegenden Tell der Bebauer auch bereits reiche Früchte eingetragen hat.

Es ist selbstverständlich, daß das wieder beginnende Kleingartenjahr die deutschen Freizeitgärtner mit derselben Lust und Liebe bei der Arbeit antrifft. Das Städtische Gartenamt hat inzwischen auch für eine weitere gärtnerische Ausgestaltung der Gesamtanlage gesorgt und wird es auch in Zukunft an nichts fehlen lassen. So sind neue Wege ausgehoben worden und werden, soweit möglich, befestigt. Bäume und Sträucher werden gepflanzt. Jeder Kleingärtner erhielt zwei Obst-Hochstämme und die Weggrenze eine Ligusterhecke. Der bereits im Vorjahr planierte Gemeinschaftsplatz trägt eine dichte Grasdecke und dient Kindern und Erwachsenen als Ruheplatz, soweit nicht der Aufenthalt in der eigenen Laube vorgezogen wird. Für ausreichend Gemüsepflanzen wird in diesem Jahr wieder das Gartenamt sorgen, aber sie werden diesmal auf dem Kleingartengelände selbst gezogen, was den Vorteil hat, daß die jungen zarten Pflanzen erst kurz vor dem Einpflanzen auf dem eigenen Gartengelände aus der Erde genommen zu werden brauchen. Tatsächlich waren durch Einberufungen und Versetzungen von Kleingartenpächtern seit dem vorigen Herbst beträchtliche Lücken entstanden. Aber es zeugt für das gute Beispiel, das die Kleingartenpioniere gegeben haben, daß diese Lücken in kurzer Zeit nicht nur restlos ausgefüllt werden konnten, sondern daß bereits ein weiteres Stück Gartengelände, das vorläufig noch Wiese ist, im Laufe dieses Jahres hinzugenommen werden muß, um allen Nachfragen zu genügen. Über 300 Kleingärten besten auf diese Weise schon, und mehr als 100 werden noch hinzukommen, so daß am Ende dieses Jahres die Zahl zwischen 400 und 500 erreicht sein wird.

Wenn auch die Anlagen der Kleingartensiedlung „Alte Kasematte“ noch jung sind und der vorhandene Baumbestand dementsprechend niedrig im Wuchs, so bieten doch die schnell heranwachsenden Beerensträucher, die sich rasch belaubenden Bäume und Gebüschhecken in einigen Wochen bereits einen kleinen grünen Wall, der die freie Einsicht in das Gelände wirkungsvoll abschirmt. Zumal die Grünhecken haben sich bereits im Vorjahr als zuverlässige Windbrecher erwiesen, und tatsächlich bildet ja auch das Kleingartengelände ein Teilstück des in diesem Jahr wiederum einen beträchtlichen Ausbau erfahrenden Grüngürtels, der im Laufe der Zeit die böigen Winde von Krakau fernzuhalten berufen ist.

Daneben gilt eine weitere Hauptsorge des Städtischen Gartenamtes den alten Grünanlagen im Stadtinnern. Ihre Pflege wäre im allgemeinen verhältnismäßig leicht und einfach, weil der Bestand an Bäumen, Sträuchern, Grasflächen und gärtnerischen Anlagen aus dem zarten Kindesalter längst heraus ist. Leider aber macht gerade hier der Unverstand der Menschen (nur ín Einzelfällen wird von bösartigen Naturfrevlern gesprochen werden können) den für die Erhaltung dieser ein Schmuckstück der Stadt bildenden Anlagen verantwortlichen Instanzen sehr viel mehr Arbeit und Mühe, als es in der allgemeinen Anspannung des Kriegsalltags nötig und zu rechtfertigen ist. Gegenüber allen Schwierigkeiten, die nicht zuletzt durch den Mangel an Arbeitskräften gesteigert werden, wird sich aber der Wille der deutschen Verwaltung behaupten, in der Gepflegtheit des äußeren Bildes der städtischen Grünanlagen und in der Bebauung der Schmuckplätze mit jahreszeitlichen Blumen und Zierpflanzen nicht nur kein Absinken des bisherigen Standes eintreten zu lassen, sondern Intensität der Wirkung nach Möglichkeit noch zu steigern.

Im Rahmen der Aktion für die Nutzbarmachung von Öd- und Brachland innerhalb der Stadt wurden auch für die nichtdeutschen Gefolgschaftsmitglieder der Stadtverwaltung bisher 235 Teilgärten von je 300 qm beschafft, von weiteren Dienststellen der Staatsämter und kriegswichtiger Industriebetriebe liefen noch Sammelanträge auf 159 Teilgärten ein, die gleichfalls voll befriedigt werden können. So wird sich die Regierungshauptstadt des Generalgouvernements im Laufe dieses Sommers noch mehr als in den vorangegangenen Jahren als eine von häßlichen Ödflächen befreite Stadt präsentieren und damit dem vom Städtischen Gartenamt angestrebten Ziel ein gutes Stück daherkommen – daß nämlich Krakau eine Stadt im Grünen wird. H. U.

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Die deutsche Dauerkleingartenanlage „Alte Kasematte“ gewährt jetzt noch einen freien Überblick. Aber bald werden die sich belaubenden Hecken und Sträucher einen dichten Grünwall bilden. Aufnahme: Theuergarten

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